News & Aktuelles

Tag 1 nach der Schliessung

17.03.2020

Tagebuch aus dem Garten-Center

Sehr geehrte Kundinnen und Kunden
Werte Interessierte

Die grüne Branche manövriert in ein Dilemma

Durch geschicktes Verbands-Lobbying wurde erreicht, dass in ganz Deutschland Baumärkte und Garten-Center als „Grundversorger“ weiterhin Kundinnen und Kunden bedienen dürfen (Deutsche Leitlinien im Wortlaut). Einzige Auflage: Man stellt einen Menschenabstand um 3 Meter sicher und stellt entsprechende Schilder auf.

Die Branche ist entzückt. Bereits erreicht mich eine Email von einem Lieferanten aus Deutschland mit dem Betreff: „Chance durch Corona“ (sic!). In der Email wird frohlockt: „Derzeit verkaufen viele Gartencenter gut doppelt so viel Gemüsepflanzen wie zu dieser Zeit üblich. Auch Pflanzkartoffeln, Erdbeerpflanzen, Kräuter und selbst Obstgehölze (!) - eben alles, was in Richtung Selbstversorgung geht - wird in stark steigendem Mass nachgefragt. Diese Nachfrage müssen wir nun in jedem Kundenkontakt argumentativ untermauern und nutzen.“

Goldgräberstimmung!

Diese Euphorie weckt nun natürlich auch in der Schweiz Begehrlichkeiten. Da wollen wir auch partizipieren und der Verband JardinSuisse wird mit Anfragen bombardiert, man solle doch bitte die Politik zur Raison bringen und den Verkauf von Blumen & Nutzpflanzen inkl. Zubehör sofort erlauben. „Dig on for Victory“ lautete die Parole in den Weltkriegsjahren. Ein hehres Ziel: Gärtnern, um den Feind zu besiegen.

Ja, das Coronavirus mag unser Feind sein. Aber ob wir diesen durch Gartenarbeit besiegen mögen? Könnte es nicht sein, dass der ununterbrochene „Run“ auf Garten-Center dem Feind sogar in die Karten spielt?

So weit ich dies mit meinem bescheidenen Intellekt verstanden habe, geht es darum, jeglichen „Run“ zu verhindern und die individuelle Mobilität zu unterbinden, um den „Feind“ zu bremsen und seinem negativen Einfluss dadurch die verheerende Wucht zu nehmen.

Überlebenskampf

Wenn sich die Gärtnerschaft nun im eigenen Überlebenskampf als Kriegsgewinnler manifestiert, hat das meiner Meinung nach einen schalen Nachgeschmack. Ist es tatsächlich verantwortungsbewusst, die Massen weiterhin zu mobilisieren um deren antrainierte Konsumbedürfnisse zu befriedigen? Zumal es die Risikogruppen sind, welche zu einem schönen Anteil die typische Garten-Center Kundschaft ausmacht. Und genau Seniorinnen, etc. sollten doch zu Hause bleiben, anstatt, dass wir diese mit mannigfaltigen Argumenten zu den Gartengeschäften lenken.

Natürlich kommen die aktuellen Ideen harmlos daher. Einerseits ist man bereit, die Sortimente so einzuschränken, dass sie der Vorgabe „Grundversorgung“ entsprechen: Setzlinge, Beeren aber auch Erden, Dünger und Pflanzenschutz. Oder die Umsetzung von 'Drive -in' Konzepten, wo die Kundschaft ihre vorgängig bestellten Produkte abholt und diese von Mitarbeitenden direkt ins Auto geladen werden; ohne dass jemand aussteigen muss.

Daneben nutzen natürlich auch die „Grundversorger“ die Gunst der Stunde. Folgende Nachricht erreicht mich von einem Kunden: „Ich arbeite in Lenzburg und habe gesehen, dass Landi und Migros alles uneingeschränkt verkaufen; inkl. Blumen und Gartengeräte, etc. Gemäss meinen Kenntnissen dürften Geschäfte offen haben, die Tierfutter verkaufen, weil das zum täglichen Bedarf zählt. Warum haben Sie nicht offen?“.

Spielverderber

Auch zahlreiche Anfragen und Anregungen von Lieferanten, Mitarbeitenden und Partnern motivieren dahingehend, die Gunst der Stunde zu nutzen und aus der Not eine Tugend zu machen. Ich fühle mich etwas in der Rolle des Spielverderbers, wenn ich den Wettbewerb nicht mitspielen mag, wer die cleverste Umgehen der behördlichen Vorgaben gegen eine allzu schnellen Verbreitung des Virus implementiert.

Bin ich diesbezüglich komplett „auf dem falschen Dampfer“? Wo verläuft momentan die Grenze zwischen Bürgerpflicht und unternehmerischer Kaltblütigkeit? Üblicherweise bin ich ja der Erste, welcher den Behörden mit helvetischem Freiheitsdrang ans Bein pinkelt. Der Umgang mit Gesetzen und Richtlinien darf mit gesundem Menschenverstand und ebensolcher Skepsis freiheitlich interpretiert werden. Aber gilt dies auch, wenn die Exekutive eine «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz ausruft?

Dem Bundesrat die Entscheidungsfindung erleichtern

Noch greift der Bundesrat nicht zum äussersten Mittel: einer umfassenden Ausgangssperre, wie sie Italien, Frankreich oder Spanien verhängt haben. Dass die Regierung davor zurückschreckt, ist nachvollziehbar. So wie sich nun jedoch zahlreiche Händler gebären, erleichtern sie dem Bundesrat wohl die Entscheidungsfindung.

Erwin Meier-Honegger

 

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